Stevie ist fest entschlossen, ihrem Leben ein Ende zu bereiten. Das hat sie verdient, nach dem Unglück, das sie hervorgerufen hat. Für ihren Bruder Josh, ihren liebevollen Vater, ihre ständig abwesende und kalte Mutter. Sie hat ihre Familie zerstört, so wie sie ihren Körper zerstört – in kleinen Schritten, langsam, unaufhaltsam. Der einzige Ausweg ist das Therapiezentrum, in das sie eingewiesen wird. Doch kann sie die Leere ihres Körpers, der sich trotz der Entbehrung so schwer anfühlt, wirklich gehen lassen?
Es gibt Bücher, die gehen unter die Haut. Sie berühren dich, lassen dich nicht los, halten dich fest in ihren Seiten und du tauchst so tief in die Geschichte ein, dass du jedes Gefühl des Protagonisten in dir nachhallen spürst. Genauso erging es mir mit „Alles so leicht“ von Meg Haston – dieses Buch hat mich aufgesaugt, mich bei jedem Wort mit Stevie mitfühlen lassen und wieder ausgespuckt. Ich liebe es.
Stevies Geschichte ist so mitreißend, wobei der Schreibstil der Autorin eher still ist. Mit präzisen, schonungslosen Beschreibungen wechselt sie zwischen Stevies Gegenwart im Therapiezentrum für Mädchen mit Essstörungen und ihrer Vergangenheit bei ihrer Familie hin und her. Stevie durchlebt eine Phase der Wandlung, der Zerrissenheit, der Selbstzerstörung, die offen und ehrlich beschrieben wird. Ihr größter Feind: Sie selbst. Ihr Körper ist ihre Waffe und ihr Schlachtfeld zugleich, während sie unerbittlich gegen ihre Dämonen ankämpft. Meg Haston hat eine sehr mitreißende Art, den Leser ins Buch zu ziehen, sodass man von Anfang an gefesselt ist und erfahren möchte, wie es weitergeht – gerade durch die vielen Cliffhanger in der Sicht aus der Vergangenheit wird dieser Effekt verstärkt.
Die Story dreht sich dabei um Stevies Zeit im Therapiezentrum, um die Zeit, die unaufhaltsam verrinnt, während sie dem Jahrestag näher rückt, an dem ihr eigener Tod besiegelt werden soll. Oder wohl eher sollte – denn bevor Stevie sich zu Tode hungern kann, wird sie ans andere Ende der USA gekarrt und eingewiesen. Mit einer unerbittlichen Härte kämpft sie für ihr Recht auf den Tod, kämpft gegen sich selbst, mit einem Hass, der langsam bis auf die Wurzeln aufgedeckt wird, je mehr man über Stevie und ihre Vergangenheit erfährt. Der Tod ihres Bruders spielt eine große Rolle darin, ein einzigartiges Mädchen ebenfalls und auch die Abwesenheit ihrer kalten, perfektionistischen Mutter ist ein Auslöser für ihren schrecklichen Todeswunsch.
Die Charaktere sind dabei ebenfalls sehr realistisch und beeindruckend beschrieben. Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen, jeder kämpft allein und doch gemeinsam. Der Zusammenhalt unter den Mädchen ist geprägt von Kalorien, Einschränkungen und Ängsten, Neue in der Gruppe werden ebenso skeptisch beäugt wie Eltern zu Besuch. Der Therapiealltag war auf seine Art sehr bedrückend und doch auch befreiend. Man leidet mit Stevie mit, wenn man in ihr Leben eintaucht, wünscht sich so sehr ihre Genesung und gleichzeitig eine schnelle Erleichterung für ihre Seele, die von so viel Leid geprägt ist.
Was dieses Buch ist: Schwer. Leicht ist hier nichts, aber man kann sich wunderbar darin verlieren, mitfiebern, weinen und hoffen. Denn Hoffnung ist letztendlich das, was alle am Laufen hält, selbst wenn die Welt und der Kampf gegen sich selbst zu schwer wird. Meg Haston hat es geschafft, alles trotz der Schwere so wunderbar leicht zu machen.
Autor: Meg Haston
Titel: Alles so leicht
Preis: 15,99€ (E-Book) | 19,99€ (HC)
ISBN: 978-3-522-20215-2
Verlag: Thienemann-Esslinger
Das Buch beim Verlag findet ihr hier: (X)
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