Lea ist anders. Deshalb steckt sie auch in der Psychiatrie. Freiwillig. Denn ihr ist klar, dass sie sich mit ihrer Angst vor dem Schlucken nicht mehr ins normale Leben trauen kann. Die Panik, dass sie ersticken könnte, beherrscht ihren Alltag. Und als sie Ben kennenlernt, der mit seinem Sammelzwang ebenso anders ist wie sie, stellt sie fest, dass Anderssein gar keine Schwäche sein muss – wenn man es nicht zulässt. Kann sie zu ihrer alten Form zurückfinden?
Manche Bücher sind dazu geschaffen, meinen Glauben an das Gute im Menschen und in der Welt wiederherzustellen. „Normal ist anders“ gehört auch zu dieser Sorte. Berührend, intim und gleichzeitig nicht zu überladen beschreibt Katja Kulin Seiten an Menschen, die sich nach einem Bruch langsam wieder zusammenfügen und dabei besser verstehen lernen.
Die Protagonistin Lea beschreibt in dem Buch ihren Alltag zwischen den verschiedenen Persönlichkeiten, die sich in einer solchen Nervenklinik finden. Allerdings sind die meisten Patienten freiwillig dort, es ist sehr frei und eine große Vertrauensbasis da. Lea ist ein eher schüchterner Mensch, will nach ihrer Promotion eine feste Stelle an der Universität bekommen, die allerdings durch ihre akute Schwäche gerade nicht möglich ist. Während sie langsam ihre Vergangenheit aufarbeitet und viel über sich selbst und ihre Angst vor dem Ersticken lernt, trifft sie auf weitere Menschen, die ihr eigenes Schicksal zu schultern haben.
Die Charaktere fand ich durchweg hinreißend. So wundervolle kleine Details wurden beschrieben, man fühlt wirklich mit jedem einzelnen mit. Besonders Leas Geschichte hat mich zum Nachdenken angeregt, aber auch Ben mit seinem Sammelzwang hat viel zu erzählen, was nach und nach rauskommt. Mein größter Favorit war aber die Transsexuelle Ismail/Hülya: Vom Mann zur Frau entpuppte sich ein Schmetterling, der lange Zeit versteckt gelebt hatte. Ich hatte ziemlich oft Tränen in den Augen, wenn die Charaktere zueinander gehalten und sich gegenseitig unterstützt haben. Denn neben ihren Therapiesitzungen waren es ihre Freundschaften, die sie am meisten aus der Reserve gelockt haben.
Katja Kulins Schreibstil war unkompliziert und ließ sich sehr leicht lesen. Ich mochte die Rückblicke in Leas Vergangenheit sehr gern, durch die man immer weiter in ihre Jugend und Kindheit vorgedrungen ist und sie besser verstanden hat.
„Normal ist anders“ ist ein Buch, das mich noch eine Weile lang beschäftigen wird, da ich die Aufarbeitung dieses schweren Alltags wirklich gelungen finde. Ich mag die Positivität, die das Buch versprüht, ohne die schlechten Seiten zu ignorieren, und vor allem die Charaktere sind mir unheimlich ans Herz gewachsen, sodass ich wirklich nicht wollte, dass das Buch endet. Es war einfach von vorne bis hinten stimmig und ein großes Highlight für mich.

© Ullstein, Berlin
Autor: Katja Kulin
Titel: Normal ist anders
Preis: 8,99€ (E-Book) | 9,99€ (TB)
ISBN: 9783548288000
Verlag: Ullstein
Das Buch beim Verlag findet ihr hier: (X)
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