Heute beschäftige ich mich ein wenig mit einem Trend, der durch die Buchwelt geistert und bei mir manches Mal für Aufstoßen sorgt. Obwohl ich mich in den vergangenen Jahren ausführlich mit den verschiedenen Spektren im Bereich des LGBTQA+ beschäftigt habe und auch gern Lektüre dazu lese, stelle ich einige Tendenzen fest, die mir so gar nicht behagen. Um ehrlich zu sein, bringen sie mich eher dazu, diese Bücher inzwischen zu meiden, aus Angst, schon wieder enttäuscht zu werden.
Wie bereits erwähnt lese ich gern Bücher in dem Genre, wobei ich vor allem lesbische und bi- bzw. pansexuelle Charaktere bevorzuge. Die typische Gay Romance ist nichts für mich, das habe ich schon einige Male festgestellt, weshalb ich die auch meist umgehe. Auch transsexuelle Charaktere finde ich unheimlich spannend und würde sie gern öfter in einer sensiblen Aufmachung in Büchern wiederfinden. Und das ist auch schon das erste, was mich an den Charakteren meist stört.
1. Ich bin ein Mensch, nicht meine Sexualität
Charaktere haben bestimmte Züge. Wir kennen wohl alle das Klischee des schwulen besten Freundes oder der knallharten Lesbe, die Männer hasst. Aber wieso muss das in Büchern immer wieder eingesetzt werden? Charaktere, die nicht heterosexuell sind, werden so oft als Stereotypen gezeichnet und dienen manchmal nur dazu, ihre Sexualität zu verkörpern. Ich höre schon den entsetzten Aufschrei: „Wie jetzt, reicht es nicht, dass ich diverse Charaktere habe, müssen sie jetzt etwa auch noch Facetten haben? Aber wer soll denn das Gucci-Täschchen meiner Prota halten und ihr beim Umstyling helfen, wenn nicht der schwule beste Freund?!”
Dabei sollten sie dreidimensional sein wie jeder andere auch. In einigen meiner Lieblingsbücher werden Charaktere auf dem Spektrum einfach auf diesen kleinen Aspekt ihrer selbst begrenzt – aber ganz ehrlich, habt ihr in der Realität schon Menschen getroffen, die nur ihre Sexualität verkörpern und sonst nichts anderes?
2. Mein Leben dreht sich nicht um mein Coming Out
Ja, sich in der Öffentlichkeit hinzustellen und zu sagen, dass man jemanden abseits der gesellschaftlichen Norm liebt, ist ein Kraftakt. Natürlich schwingen da tausend Gefühle mit. Angst, Verzweiflung, Vorurteile, Hilflosigkeit sind an der Tagesordnung. Aber ich bin es allmählich leid, das tausendste Coming Out zu lesen.
Gebt mir was Neues, gebt mir Charaktere, die mit sich selbst im Reinen sind, deren größte Sorge sich nicht darum dreht, was Eltern und Freunde von ihrer Liebe halten! Gebt mir Charaktere, die die Welt retten müssen und gleichzeitig lesbisch sein können. Gebt mir asexuelle Charaktere, die keinen Frosch küssen wollen und ihren Märchenprinz in ihrem besten Freund auf platonische Weise finden. Gebt mir transsexuelle Charaktere, die so viel mehr sind als ihr Geschlecht.
Kurz: Gebt mir Menschen, deren Geschichte nicht auf ihrer Sexualität fußt, und sei sie noch so außergewöhnlich.
3. Bin ich ein Trend oder Aushängeschild?
Mir scheint es im Moment so, dass es bei Autoren im Kommen ist, ihre Charaktere so divers wie möglich zu gestalten – von Recherche ist dabei aber meistens Fehlanzeige. Sich tatsächlich mit diesen Menschen zu beschäftigen, ist ja nicht möglich, und daher begegnen uns so viele Klischees. Aber das scheint zu reichen. „Ich habe einen Schwulen eingebaut. Machen das heute nicht alle so?”
Eigentlich finde ich es ja positiv, wenn die Charaktere diverser werden und auch große Verlage diesem Trend folgen, der mit der Ehe für Alle seit neuestem gesellschaftlich noch angesehener ist. Aber in vielen Fällen kommt es mir vor, als ob die Autoren sich nicht mit diesen Charakteren beschäftigen wollen, sondern sie nur als Aushängeschild für ihre eigene Toleranz nutzen. Wie ein Werbeplakat für sich: „Schaut mich an – ich habe es gewagt und über zwei Mädchen geschrieben, die sich küssen! Seht ihr, wie tolerant ich bin? Los, bewundert mich, ich tue ja so viel für die armen, unterdrückten Menschen!”
Und das finde ich unheimlich schade, denn kommt schon, liebe Autoren: Es sind immer noch reale Gefühle, über die ihr schreibt. Versucht euch doch mal reinzufühlen, als sie nur für euch nutzen zu wollen – dann gelingen euch sicher auch Charaktere, die nicht dem Mainstream folgen, und Storylines, die interessante Helden mit anderen Zielen als der bloßen Akzeptanz ihrer Liebe zeigen.
Nehmt euch ein Beispiel an Autoren wie Elizabeth E. Wein mit ihrem „Codename Verity“, Joanne Horniman mit „Über ein Mädchen“ oder Meg Haston mit „Alles so leicht“. So unterschiedliche Charaktere mit verschiedenen Zielen und Plots: Das wünsche ich mir in Zukunft für den Buchmarkt. Den Trend ins Positive kehren, denn an sich ist er nicht schlecht. Aber wer Charaktere abseits der gesellschaftlichen Norm schreiben will, sollte sich auch ordentlich damit beschäftigen und sich mehr trauen.
Wie steht ihr dazu? Seid ihr gerade zufrieden, oder könnt ihr meinen Punkten zustimmen? Was haltet ihr von dem aktuellen Trend, habt ihr ihn überhaupt schon bemerkt? Ich weiß, dass ich einigen Autoren hier auf den Schlips trete, aber das Thema liegt mir sehr am Herzen – ebenso wie eure Meinung dazu. Lasst mir doch gern einen Kommentar dazu da und diskutiert mit mir darüber!
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