Ich muss gestehen, dieses Thema war eigentlich absolut nicht geplant. Aber ein Ausflug zur Documenta 14 nach Kassel hat mich dazu inspiriert, diesen Beitrag über Meinungsfreiheit und verbotene Bücher zu schreiben. Denn Zensur betrifft uns alle, ob wir wegschauen oder offen dagegen vorgehen. Es fängt im Kleinen an – bis wir so weit sind, ein Gebäude aus verbotenen Worten errichten zu können …
Wahrscheinlich haben es die meisten schon gesehen, ob in der Zeitung, im Internet oder mit eigenen Augen: Das Parthenon of Books, eines der aufwendigsten Ausstellungsstücke der diesjährigen Documenta in Kassel.
Ich will euch hier gar nicht mit architekturischen Informationen beladen, die dieses Kunstwerk mit sich bringt. Fakt ist, dass die Künstlerin Marta Minujín hier über 100.000 verbotene Bücher in eine Kartei aufgenommen hat, von denen einige dieses Werk einfließen. Betrachtet man das Parthenon näher, kann man genau sehen, welche Werke verboten waren oder immer noch sind. Und das sind erstaunlich viele, die ich persönlich bereits gelesen habe oder noch auf meiner Liste habe.
Natürlich war mir klar, dass Schriftsteller häufig auf der Abschussliste stehen. Ihr Gedankengut ist in ihren Büchern wiederzufinden, manchmal versteckt, manchmal ganz offen. Wer verbietet, dass ein Buch auf den Markt kommt, verbietet damit indirekt das Denken. Denn dies heißt nichts anderes, als dass die Gedanken des Autors nicht mit den eigenen konform gehen und damit sogar eine Gefahr darstellen.
Was mir immer wieder im Herzen wehtut, ist, Harper Lee auf dieser Liste der verbotenen Bücher zu sehen. In Amerika können sich besorgte Bürger bei der ALA beschweren, die, wenn es genug Unterstützer gibt, Werke wie „Wer die Nachtigall stört“ auf einen Index setzen, sodass nicht einmal Bibliotheken diese erhalten können. Teilweise wurden auch schon Bücher auf dem Index verbrannt. Die Begründung bei Harper Lee? „Wer die Nachtigall stört“ enthält rassistisches Gedankengut. Diese Denkweise ist so verquer, dass ich jedes Mal eine Gänsehaut kriege, wenn ich darüber nachdenke. Schließlich ist Harper Lee mit diesem Titel eine der Autorinnen, die offensiv gegen die Rassentrennung schrieb und aufzeigte, was daran schief läuft. Dass dieses Buch auf dem Index steht, tut mir im Herzen weh.
Aber auch moderne Titel wie „Gossip Girl“ von Cecily von Ziegesar oder „Harry Potter“ von J. K. Rowling befinden sich auf dem Index. Bei „Gossip Girl“ sind es die freizügigen Szenen, die das Buch ins Aus katapultieren, „Harry Potter“ geht gegen kirchliches Gedankengut vor und verleitet Kinder zum Satanismus. Titel wie diese auf dem Index zu sehen, lässt mich auch immer wieder stutzen. Spricht man hiermit nicht Menschen das kritische Urteil ab? Bücher haben, anders als besorgte Eltern, keinen Erziehungsauftrag. Warum redet man nicht mit Kindern über die Drogenszene, bevor man Bücher verbietet, die diese durchaus auch etwas derber darstellen, aber ganz sicher nicht nur als luxuriös und cool?
Dass Bücher, die den Nationalsozialisten nicht gefallen haben, früher verbrannt wurden, dürfte nun wirklich niemanden mehr schocken. Erich Kästner und Goethe findet man daher auch immer wieder im Parthenon. Das Verbrennen von Büchern thematisiert unter anderem „Fahrenheit 451“, ein Buch, das in den USA ebenfalls oft auf dem Index steht. Eine Scheuklappenmentalität, die ich persönlich für extrem gefährlich halte. „Wir wollen das nicht, also reden wir nicht darüber!“ Aber wie soll man denn vor solchen Missständen warnen, wenn nicht darüber gesprochen wird, was geschah und an vielen Orten der Welt immer noch passiert?
Fakt ist: Zensur geschieht heute noch überall auf der Welt. Auch hier in Deutschland. Immer wieder. Sollte man davor die Augen verschließen? Nein!
Sicher gibt es Stoff, der für manche Altersklassen nicht geeignet ist. Sicher gibt es Titel, über die sich heutzutage streiten lässt, wie beispielsweise über „Pippi Langstrumpf“. Unter besorgten Eltern kommt immer wieder auf, dass sich noch das Wort „Neger“ in diesem Buch verbirgt. Wie geht man damit um? Gehört es deshalb gleich in die Tonne, auf eine schwarze Liste, ins Feuer, weil es ein Zeitzeuge des Kolonialismus ist? Oder kann man auf andere Weise damit umgehen, verantwortungsvoll mit Kindern zusammen aufarbeiten, dass es diese Zeit gab, heute aber zurecht andere Sitten herrschen und es gewisse Worte gibt, die negativ geprägt sind und aus dem Wortschatz verschwinden sollten? Für mich ist eindeutig letzteres die bessere Option. Denn Zensur, sei es in Büchern oder um ganze Autoren herum, bedeutet nur eins: Das Verbot der Gedanken. Und das kann ich in keinem Fall gutheißen.
Wie geht ihr mit sowas um? Ist euch schon mal ein Fall zu Ohren gekommen, bei dem ihr dachtet: „Was, wieso ist dieses Buch auf dem Index?“ Oder sagt ihr, dass Zensur in gewissen Fällen legitim ist? Ich bin gespannt auf eure Meinung dazu!
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