Ich muss gestehen, ich habe dieses Format in den letzten Wochen etwas schleifen lassen, weil ich noch über einige Themen nachdenke, sie noch nicht richtig in Worte fassen kann oder einfach zu wenig Zeit hatte, um mich intensiv damit zu beschäftigen. Aber heute möchte ich mal wieder ein neues Thema aufgreifen, das mir insbesondere bei meinem Leseverhalten in diesem Jahr aufgefallen ist und mich zum Nachdenken angeregt hat. Dabei geht es um Kritik an Büchern, die Unterschiede eben jener auf deutschen und ausländischen Plattformen und ob auch ein Verriss ab und zu angebracht ist.
Zunächst einmal möchte ich festhalten: Ich will mit diesem Beitrag niemanden angreifen. Wer gern am laufenden Band 5-Sterne-Bewertungen raushaut und jedes gelesene Buch genial findet – eure Meinung, dafür müsst ihr euch nicht rechtfertigen.
Meine Lesejahr 2017 neigt sich ja nun langsam dem Ende zu, und obwohl ich einige herausragende und viele gute Bücher zu verzeichnen habe bei fast 100 gelesenen Titeln im Jahr, waren doch verhältnismäßig viele schlechtere Bewertungen darunter. Ich bin jemand, der bei Bewertungen tatsächlich die volle Spanne ausnutzt und ich halte es bei einigen Titeln durchaus für legitim, nur einen Stern zu vergeben. Ich denke, ich begründe meine Meinung hierfür immer recht nachvollziehbar, und auch wenn viele Punkte subjektiv sind – es ist meine Meinung, jeder kann das anders sehen. Bitte, mir macht es ja auch wenig Spaß, mich durch Bücher zu quälen, aber noch mehr hasse ich es, sie abzubrechen! Und so kamen dieses Jahr schon 20 Bücher auf drei oder weniger Sterne in meiner Bewertung.
Drei Sterne sind nicht schlecht, keinesfalls. Aber sind drei Sterne nicht der Durchschnitt? Sollte diese Bewertung nicht das grundsätzliche Maß sein, das dann nach oben oder unten schwankt?
Ich habe in letzter Zeit oft überlegt, wie ich Bücher eigentlich bewerte. Und ja, meine Bewertung mag manchmal seltsam erscheinen, aber ich gehe grundsätzlich von fünf Sternen aus, wenn mir ein Buch gefällt, und hangele mich anhand der Kritikpunkte, die ich dann habe, weiter runter. Je nachdem, wie schwer diese wiegen, ziehe ich mehr oder weniger Sterne ab. Und zum Schluss, wenn ich mir noch unsicher bin, arbeite ich mit Pro/Kontra-Listen oder vergleiche das Buch mit anderen Titeln.
Kratzen sich einige von euch schon empört die Augen aus? Ich weiß, viele sind der Meinung, dass jeder Titel für sich steht, dass man jede schriftstellerische Leistung für sich bewerten sollte. Und viele werden auch nicht verstehen, dass ich durchaus auch für mangelnde Grammatik oder grobe Rechtschreibfehler (wenn diese gehäuft auftreten!) Punkte abziehe. Ich habe tatsächlich schon hitzige Diskussionen drüber geführt, ob man das darf oder nicht. Und ich sage: Wenn mir wiederholt auftretende Schwächen auffallen, die ein vernünftiger Korrektor mit Leichtigkeit hätte bemerken müssen, dann ziehe ich dafür Punkte ab. Denn es trübt mein Leseerlebnis, und auch das gehört zu einem Buch dazu.
Was mich nun aber wirklich zum Nachdenken angeregt hat, sind die Bewertungen im Vergleich. Ich habe dieses Jahr einige Bücher gelesen, die ich wirklich dermaßen schlecht fand, dass auch meine Rezensionen etwas schärfer ausfielen. Für mich ist die Grenze zwischen Kritik und Verriss dort gezogen, wo man nicht mehr begründet argumentiert und/oder den Autor an sich schlecht macht. Und wie gesagt: Ich bin ein großer Fan davon, alles zu begründen, was ich in den Raum stelle, und wenn ich nur sagen kann „Ich empfand es als … nervig, langweilig, anspruchslos, frauenfeindlich, whatever”.
Ich rezensiere nicht, um mich bei anderen beliebt zu machen. Natürlich freue ich mich, wenn Autoren sich bei mir für eine positive Rückmeldung bedanken, wenn Leser mir sagen, dass sie meine Rezension einen genaueren Blick auf ein Buch werfen lässt. Aber wisst ihr, welche Kommentare mir noch lieber sind? Diskussionen unter Rezensionen. Vor allem unter schlechten.
Ausnahmslos alle Bücher, die ich dieses Jahr mit ein oder zwei Sternen bewertet habe (immerhin fünf Titel!), spiegelten rassistische, sexistische Ansichten, schwierige Thematiken vollkommen unreflektiert oder einfach Aussagen wider, mit denen ich mich absolut nicht identifizieren konnte. Aussagen, die mein Lesevergnügen zerstört haben, weil ich mich in solchen Momenten dermaßen darüber aufrege, dass ich das Buch am liebsten sofort wegpfeffern würde.
Und dann browst man durch die heile deutsche Bloggerszene und sucht nach jemandem, der die Ansichten teilt – und sieht überall nur fünf Sterne für das Buch. „So neu! So romantisch! So sexy! Ich liebe es!“ I can’t. Sorry, Leute, jedem das Seine. Aber es gab dieses Jahr Bücher, die dermaßen sexistisch waren, aus Mädchen willenlose kleine Mäuschen gemacht haben, die nur darauf warten, dass der sexy Typ um die Ecke kommt und sie aufsammelt, während natürlich alle anderen, die auf ihn stehen, nur notgeile Schlampen sind. Ich sage es ganz offen und ehrlich: Dieses Jahr habe ich zu viele Bücher gelesen, in denen Slut-Shaming betrieben wurde, ohne es jemals in Frage zu stellen.
Das geht nicht.
Und gefühlt bin ich die Einzige, die aufschreit. Ich habe zu einigen Titeln tatsächlich auch mehr schlechte Rezensionen gelesen, was mich doch bestätigt hat, dass deutsche Leser durchaus noch kritikfähig sind. Aber vergleiche ich durchschnittliche Bewertungen auf Lovelybooks mit denen auf Goodreads, bin ich entsetzt. Ich verfolge die amerikanische und englische Buchbloggerszene so halbwegs aktiv, nicht immer lässt es meine Zeit zu. Gern vergleiche ich, gerade bei Titeln, die ich schlecht fand, deutsche mit englischen Rezensionen. Und ich habe das Gefühl, dass man im Ausland schon viel weiter ist, auch auf moralische Grundvorstellungen in Büchern einzugehen, die so gar nicht angezweifelt werden. Ich will nicht leugnen, dass auch dort Bücher in den Himmel gelobt werden, die ich schlecht finde. Aber inzwischen bin ich dazu übergegangen, auch bei meinen negativen Gefühlen einem Buch gegenüber Meinungen auf Goodreads zu checken. Ich finde dort immer wieder sehr viel kritischere, logisch begründete Meinungen. Und auch mehr Verrisse.
Sind die englischsprachigen Leser einfach mutiger, ihre Meinung offen kundzutun? Ducken wir uns hier in Deutschland noch zu oft weg, aus Angst, ein Verlag gibt keine Rezensionsexemplare mehr raus, wenn wir was Schlechtes schreiben? Wie kommt es, dass ich hier immer wieder höre, bevor man eine schlechte Rezi schreibt, soll man doch lieber gar nichts schreiben? Wo ist die Kritik geblieben, sachlich begründet und auch mit gesellschaftlich motivierten Aspekten? Natürlich sollen Bücher in erster Linie Spaß machen. Aber Spaß macht mir, was mit meinen Moralvorstellungen zusammenpasst. Darüber lässt sich sicherlich streiten – aber wieso diskutieren wir dann so ungern drüber?
Wie seht ihr das – schreiben wir hier in Deutschland zu viele gute Rezensionen? Bewerten wir zu lasch? Hauen wir viel öfter fünf Sterne raus, als eigentlich angemessen ist? Ich möchte euch im Rahmen einer fairen Diskussion bitten, keine Namen oder Buchtitel zu nennen – dafür ist Rezensionen genug Platz. Mir geht es hier wirklich um den Aspekt in der Buchbloggerszene. Was habt ihr beobachtet, könnt ihr mir widersprechen? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen und Meinungen!
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