In einem kleinen Dorf in den 60ern wachsen zwei Brüder ohne ihre Mutter auf. Zwischen Unfällen, der ersten Liebe, der Flut und den Belangen des Alltags ist Freundschaft und Familie das Wichtigste für sie – doch der Klatsch des Dorfes kann grausam sein. Abschied und Schmerz bestimmen Harrys Leben. Doch findet er seinen Weg zu den Sternen?
Nachdem ich von Steven Herrick bereits „Wir beide wussten, es war was passiert“ gelesen und geliebt habe, war ich bei seinem neuen Werk doch Feuer und Flamme – ich musste es haben. Auch wenn ich etwas Sorge hatte, dass dieser Titel nicht an das erste Buch heranreichen würde, habe ich mich auf eine poetische Geschichte und ihre Sogwirkung gefreut. Und wurde leider im Verlauf des Buches bitterlich enttäuscht.
Was mich hier am meisten gestört hat, war der fehlende rote Faden in der Handlung. Es sind Alltagsszenen auch Harrys Leben beschrieben, den sein Vater nach Harry Houdini benannt hat. Solche kleinteiligen Informationen sind über das ganze Buch verstreut und sollen den Charakteren wohl Tiefe geben – nur konnte ich damit nichts anfangen. Harrys Sicht war in kurzen Sätzen geschildert, die an das erste Buch erinnern, doch eine richtige Persönlichkeit konnte ich darin nicht erkennen. Er ist ein recht armer Junge aus dem Dorf mit wenigen Freunden, über die man ebenfalls kaum etwas erfährt, was zu einer Charakterisierung beitragen würde.
Ich bin mir nicht sicher, ob das Buch autobiographische Züge trägt, aber im Endeffekt hatte ich das Gefühl, dass der Autor hier wieder mit wenigen Worten viel zu erzählen versucht. Was bei seinem anderen Titel wunderbar geklappt hat, war hier aber deplatziert, denn so konnte ich keine Verbindung zu den Charakteren aufbauen und auch kein richtiges Ziel in der Handlung feststellen. Alles dümpelte vor sich hin, man las dauernd vom Tod eines Mädchens, vom Klatsch im Dorf, von Wassermelonen und eingeschlagenen Fenstern – aber was das in Harry bewegt oder wieso das wichtig ist, kam bei mir einfach nicht rüber.
Der Verlag wirbt mit dem Spruch: „Eine poetische Geschichte über den Mut, nach den Sternen zu greifen.“ Nun, davon konnte ich herzlich wenig sehen. Denn wenn es mutig ist, sich wegen einer kleinkindlichen Schwärmerei strafbar zu machen, ist das für mich einfach keine Auszeichnung von Mut. Wo Harry im Buch nach den Sternen greift, ist auch an mir vorübergegangen, denn richtige Ambitionen konnte ich nicht erkennen.
Alles in allem kam mir das Buch zu gewollt vor und dabei leider einfach viel zu platt umgesetzt. Ich hatte nicht diese Momente wie bei Herricks vorangegangenem Titel, dass ich Passagen doppelt und dreifach lesen wollte, die Poesie kam diesmal nicht rüber, weil das Thema einfach plump runtererzählt und nicht mit den nachdenklichen Phrasen bestückt wurde.
Alles in allem war „Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen“ für mich ein absoluter Fehlgriff. Wer hier die Wortgewandtheit oder die mutige, philantropische Storyline von „Wir beide wussten, es war was passiert“ erwartet, ist leider an der falschen Stelle. Flache Charaktere und eine zusammengewürfelte Story haben mich nicht überzeugen können.

© Thienemann, Stuttgart
Autor: Steven Herrick
Titel: Ich weiß, heute Nacht werde ich träumen
Preis: 11,99€ (E-Book) | 15,00€ (HC)
ISBN: 978-3-522-20246-6
Verlag: Thienemann-Esslinger
Das Buch beim Verlag findet ihr hier: (X)
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