In der letzten Woche hat sich einiges angestaut, was mich persönlich ziemlich gereizt hat, einen großen Beitrag zu schreiben, der sich exemplarisch mit einem Verlag beschäftigen wird. Die Bloggerwelt ist klein, ebenso die Welt der Verlage – auch wenn wir von 90.000 Neuerscheinungen im Jahr ausgehen, bekommt man viel mit, wenn man die Szene verfolgt.
Heute soll sich also alles um den LYX Verlag drehen, der in den letzten Tagen für einiges an Gesprächsstoff gesorgt hat. Das betrifft zwei Titel besonders: „From Scratch“ von Stacey Kade und „Save Me“ von Mona Kasten. Ich sage gleich im Voraus: Ich habe noch keins der beiden Bücher gelesen und hier wird es auch nicht um meine Meinung dazu gehen. Die kommt noch in einer Rezension. Worum es mir heute geht, sind die Anfeindungen gegen den Verlag von Lesern und Bloggern, die einfach nicht zu wissen scheinen, was hinter einer Veröffentlichung steckt. Denn so hart es auch klingt: Ein Verlag ist ein Wirtschaftsunternehmen und nicht euer bester Freund. Und so muss er sich, bei aller Liebe zum Buch und zum geschriebenen Wort, eben auch um eins kümmern: Wirtschaftliches Handeln. Die Hintergründe dessen möchte ich euch deshalb mal aufzeigen und damit auch für etwas mehr Verständnis sorgen.
„E-Book only? Ihr seid so böse!“
Unter dieser Ankündigung auf Facebook gab es für LYX einiges an Gegenwind. Es geht darum, dass das Buch „From Scratch“ von Stacey Kade nicht wie angekündigt im Taschenbuch erscheinen wird, sondern als E-Book Only. Grund dafür sind verhaltene Vorbestellerzahlen.
Nun heißt es natürlich von etlichen Seiten: „Ich bestelle nie vor, ihr habt ja keine Werbung gemacht, ich vertraue euch nicht mehr mit Vorbestellungen …“ Der erste Irrtum, dem viele aufliegen, ist leider, dass es sich bei so was um reine Vorbestellungen von Käufern handelt. Natürlich zählen die auch in die Zahlen mit rein. Aber einen wesentlich größeren Anteil machen Vorbestellungen der Großhändler aus. Wenn Filialisten wie Thalia, Hugendubel und Co. sehr verhalten auf einen Titel reagieren, dann muss der Verlag sehen, dass er sich selbst nicht runterwirtschaftet. Würdet ihr denn von einem Joghurt-Hersteller, der eine neue Sorte vorschlägt, die aber von den Supermärkten nicht eingekauft wird, erwarten, dass er sie trotzdem weiter verfolgt? Wahrscheinlich nicht. Trotzdem scheint es in der Buchwelt den Irrglauben zu geben, dass Verlage sich runterwirtschaften sollten, weil sie ja sonst so böse sind und es dem Kunden nicht gönnen, gute Bücher zu lesen.
Vom wirtschaftlichen Risiko der Verlage
Wir alle wollen gute Bücher. Aber es gibt einfach auch Titel, bei denen Buchhändler zögern. Das kann etliche Gründe haben und trifft leider ziemlich oft Bücher, die entweder in der Masse untergehen würden, weil ihre Unique Selling Propositions, also die Eigenschaften, die sie besonders und einzigartig machen, gegen andere Titel nicht bestechen können. Zudem sind Buchhändler in Deutschland zum großen Teil immer noch sehr konservativ. Natürlich findet man zunehmend beispielsweise LGBT-Literatur in den Regalen, aber so weit verbreitet wie in anderen Ländern ist sie nicht.
Das ist alles das wirtschaftliche Risiko, das der Verlag trägt. Im Verlagswesen wird viel kalkuliert. Bücher sind Vertrauensgüter – der Kunde weiß vorher nicht, was er bekommt, er muss erst das Buch lesen. Der Verlag weiß im Gegenzug natürlich ebenso wenig, wie viel Absatz er erwarten kann. Es gibt gewisse Methoden, dies einigermaßen zu bestimmen, und so wird natürlich auch zwischen Spitzentiteln und anderen Büchern abgewogen. Fakt ist aber: Die Bücher, bei denen der Verlag von einer hohen Resonanz ausgeht, lohnen sich und werden besonders gepusht.
Sollen sich Verlage selbst ruinieren?
Das war bei „From Scratch“ offensichtlich nicht der Fall. Der Verlag könnte jetzt sagen: Okay, in der aktuellen Kalkulation haben wir gesehen, dass sich das Taschenbuch für uns nicht lohnt. Also machen wir es nicht. Denn mal ganz ehrlich, wieso sollte sich ein Verlag runterwirtschaften? Wieso sollte er Bücher rausbringen, die er nicht kostendeckend und gewinnbringend verkaufen kann? Das nützt weder dem Verlag etwas, noch den Kunden. Dann haben sie eben ein paar Jahre lang ein Buch, das sie lesen wollten. Aber wenn das der Verlag zunehmend macht, können auch stärkere Titel die schwächeren irgendwann nicht mehr mittragen. In den letzten Jahren beobachten wir das Sterben von zahlreichen Verlagen, die sich einfach nicht mehr tragen können. Deshalb ist es besonders wichtig, dass große Verlage darauf achten, Gewinne zu fahren. Und so leid es mir aus Lesersicht auch tut: Ich kann aus Verlagssicht absolut nachempfinden, dass man Titel mit schwächerer Resonanz dann eben ins E-Book-Programm verschiebt, wo sie immer noch eine Chance auf Leser haben, anstatt sie ins Taschenbuch voranzupushen und sich damit auf lange Sicht selbst zu ruinieren.
0815-Scheiß und der gemeine Bash
Und dann wagt es der böse, böse Verlag auch noch, andere Autoren mehr zu pushen und „0815-Scheiß“ mehr Sichtbarkeit zu geben! Ja, in den letzten Tagen sind Diskussionen um „Save Me“ von Mona Kasten hochgekocht, die unter die Gürtellinie gingen und sowohl die Autorin als auch den Verlag offen angegriffen haben. Hier will ich aus Bloggersicht sagen: Schämt euch. Rezensionen dürfen kritisch sein und sollen das auch. Man muss als Blogger niemandem nach dem Mund reden. Aber man sollte sich auch mal Gedanken drüber machen, dass am anderen Ende des Bildschirms jemand mit Gefühlen sitzt, jemand, der viel Arbeit investiert hat. Und wie manche diese mit ihren Rezensionen in den Dreck ziehen, die keine konstruktive Kritik sondern reinen Bash beinhalten, macht mich persönlich wütend und traurig. Wie gesagt, ich habe das Buch selbst noch nicht gelesen, aber selbst wenn es mir nicht gefällt, schreibe ich eine Rezension, die natürlich subjektiv ist, aber an klaren Maßstäben für eine Bewertung festgemacht ist und nicht unter die Gürtellinie geht. Das gehört sich nicht und manche Menschen beschmutzen mit ihren Aussagen das komplette Bild des „Buchbloggers“.
Moralischer Appell Ende – aber wieso handelt der Verlag denn nun so? Wieso gibt man nicht jedem Titel dieselbe Aufmerksamkeit, wieso bekommen manche Autoren so viel Hilfe vom Verlag und ihre Titel werden in den Vordergrund gestellt?
Marketing will gelernt sein
Ein Spitzentitel zeichnet im Verlag das Buch aus, das man im aktuellen Programm als den Titel ansieht, der das größte Marktpotenzial hat, am meisten Umsatz machen wird und deshalb auch besondere Werbemaßnahmen erhält. Denn wie bereits gesagt möchte der Verlag natürlich Gewinne einfahren. Marketing ist hierbei das Stichwort, um das sich alles dreht. Ein Buch kann noch so gut sein – wenn es nicht gesehen wird, ist es für die Tonne.
Als Verlag hat man dabei grundsätzlich zwei große Richtungen: Buchhandel und Endkunde. Es geht darum, mittels Push-Marketing die Bücher in den Buchhandel zu bringen und ihnen mittels besonders guter Konditionen für Buchhändler (Rabatte, Staffelungen, Displays für den Verkaufsraum etc.) das größtmögliche an Sichtbarkeit zu verschaffen, was nur geht. Dass das natürlich für Autoren gemacht wird, deren Bücher sich in der Vergangenheit gut verkauft haben, die eine große Fanbase haben und auch schon bei Buchhändlern etabliert sind, sollte sich von selbst verstehen. Man kann über die Qualität von Büchern streiten, aber ich persönlich finde es – tut mir leid für den Ausdruck – unter aller Sau, wenn dann gemeckert wird, dass gewisse Autoren so viel bekommen und andere total untergehen.
Mona Kasten ist eine große deutsche Autorin, deren Erfolg nicht von ungefähr kommt. Ihre Bücher verkaufen sich einfach gut. Natürlich wird das der Verlag nutzen und macht dann besonderes Marketing, um sie sichtbar zu halten und auch die Autorenmarke weiter aufzubauen. So bleibt sie in den Köpfen der Leser und man fiebert auf das nächste Buch hin. Zudem wurde sich jahrelang drüber beschwert, dass Lizenztitel die gesamte Aufmerksamkeit bekommen – wenn nun ein Verlag deutsche Autoren und ihre Bücher aufbaut, ist das plötzlich auch nicht mehr genehm.
Leser brauchen persönliche Erfahrungen
Im Fall des Pull-Marketings ist es hingegen so, dass Verlage die Endkunden, also die Leser, direkt zum Buch hinziehen. Das kann über Lesereisen, besonderen Events auf Messen oder Signierstunden geleistet werden. Für den Verlag ist es wichtig, dass Leser emotional einbezogen werden, und das schafft unter anderem eine Erfahrung, die man mit dem Autor selbst teilt. Man freut sich über ein Autogramm, eine schöne Lesung, man wird einbezogen und hat direkten Kontakt. Emotionen werden geweckt. Der Verlag wird dies natürlich auch für Titel finanzieren, in der schon eine große Fanbase besteht, die diese Events voll ausnutzt, darüber berichtet, Werbung macht etc. Und dann fragt man sich als Leser und Blogger, wieso „kleine“ Autoren das weniger bekommen? Was für einen Sinn macht es denn für den Verlag, eine Lesung zu organisieren, zu der eine Handvoll Leute kommen, im Gegensatz zu einer Lesung, die beinahe die Räumlichkeiten sprengt und bei der sich die Autorin noch stundenlang an den Signiertisch setzen darf?
Die Anspruchshaltung und „Mimimi“-Mentalität
Jedes Buch verdient anderes Marketing und das ist auch von den Marktchancen abhängig, die der Verlag sieht. In vielen Verlagen ist es so, dass schwächere Titel von stärkeren aufgefangen werden können, auch wenn sie sich in erster Linie natürlich selbst tragen sollten. Die Kosten für die Produktion eines Buchs sollten nicht unterschätzt werden (einen interessanten Beitrag dazu hat unter anderem Tina geschrieben), somit muss der Verlag sehen, dass er eine ausgewogene Mischung herstellen kann und auch Titel, die die breite Masse nicht ansprechen, aber gewisse Nischen füllen, noch gewinnbringend unterbekommt. Manchmal rechnet sich das einfach nicht. Das ist hart für alle Betroffenen, auch für die Verlage. Genau deshalb verstehe ich die heutige Anspruchshaltung vieler Leser und Blogger nicht, zu sagen, dass der Verlag doch so bitterböse ist, wenn er auch darauf achtet, langfristig bestehen und Bücher machen zu können. Wer mit der Haltung rangeht, Bücher erst zu kaufen, wenn eine Reihe abgeschlossen ist, schießt sich selbst ins Bein. Sind die Verkaufszahlen zu niedrig, stellt der Verlag eine Reihe ein, er wird sie nicht aus Nächstenliebe fortführen und sich damit selbst runterwirtschaften. Und das ist okay. Das erwarte ich von einem Unternehmen, damit es lange bestehen kann.
Deshalb möchte ich euch Folgendes mitgeben: Versucht auch mal, die andere Seite zu sehen. Sicherlich ist man enttäuscht, wenn ein Titel „nur“ als E-Book erscheint, wenn andere Titel, die man selbst vielleicht nicht so gut fand, fast bis zum Erbrechen vermarktet werden. Aber das sind Bücher, die auch Schwächere auffangen können, und E-Book-Onlys sind immer noch besser, als das Buch gar nicht lesen zu können. Verlage sind immer daran interessiert, ihren Kunden das Bestmögliche zu bieten und ihre Wünsche zu erfüllen. Manchmal ist das nicht möglich und das schmerzt alle Seiten. Aber man sollte sich auch mal Gedanken darüber machen, welche Konsequenzen es hätte, wenn Verlage sich runterwirtschaften. Und die wären – zumindest in meinen Augen – ziemlich traurig.
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