Die Kaufmannstochter Meriande langweilt sich in ihrem wohlbehüteten Zuhause in der Stadt Nordun. Da kommt ihr der fesche Soldat Ruovan, der auf ihren Balkon klettert und ihr Herz im Sturm erobert, gerade recht. Sein Status in der Dschungelbrigade verspricht Abenteuer und die raue Seite ihrer Welt, die Meriande mit eigenen Augen sehen will. Als ihre Heirat mit einem Kaufmannssohn durch unglückliche Umstände in weite Ferne rückt, beschließt sie, ihr trautes Heim zu verlassen und Ruovan in den Dschungel zu folgen. Doch dort lauern nicht nur gefährliche Tiere, sondern auch die legendären Bestienkrieger – die Unaschkin. Meriande ahnt noch nicht, welches Schicksal sie mit diesen verbindet …
Es kommt sehr selten vor, dass ich überlege, ein Buch vollkommen ohne Bewertung zu lassen, wenn ich es gelesen habe. Bei „Mondlicht in deinen Augen“ habe ich es zudem am allerwenigsten erwartet. Immerhin ist es ein neues Buch von Lena Klassen, einer Autorin, von der ich bisher voller Liebe alles inhaliert habe. Doch bei diesem Titel wird mir schon beim Schreiben der Rezension anders. Denn das Buch bewegt sich auf einem moralischen Minenfeld und ich musste an einigen Stellen sehr hart schlucken, um verdauen zu können, was ich da gelesen habe.
Ich muss sagen, am Anfang war ich begeistert. Das Buch startet mit Meriande auf einem Ball, schließlich soll sie als Kaufmannstochter mit allen Vorzügen gut verheiratet werden. Meriande erscheint furchtlos, diszipliniert und ziemlich klug – eine Protagonistin, mit der ich sofort mitgefiebert habe, die mich fasziniert hat. Und die Geschichte eines Soldaten, der auf ihren Balkon klettert und ihr in Windeseile den Kopf verdreht, hat mich schon ein bisschen schwärmen lassen, auch wenn ich überrascht war, wie schnell sie sich hat um den kleinen Finger wickeln lassen.
Dank Lena Klassens wundervollem Schreibstil, der in seiner Bildhaftigkeit und der Wortgewandtheit schwer zu übertreffen ist, bin ich förmlich durch die Seiten geflogen. Der Weltenbau ist großartig, ich fand die Idee super, die Kaufmannsfamilien mit der Straße durch den Dschungel zu verweben und so die Story in die Wildnis zu verlagern. Die Geschichte war spannend und interessant, es gab keine Längen. Nur ein paar Mal hatte ich das Gefühl, dass das Tempo zu hoch war, dass ich den roten Faden nicht mehr sehe und zu viele Ereignisse auf einmal geschehen. Aber es hätte gut sein können. Ich habe wirklich mit unserer Protagonistin sympathisiert. Bis die Reise in den Dschungel anfing.
Und damit begann auch irgendwie alles den Bach hinunterzugehen. Meriandes Naivität wurde von Seite zu Seite deutlicher und die Liebesgeschichte entpuppte sich als bloße Farce. Ich fand die Wendung gut, der Twist war interessant gesetzt. Aber was dann folgte, hat mir unheimliche Bauchschmerzen bereitet. Wer an dieser Stelle weiterliest und die ganze moralische Kritik an der Geschichte wissen möchte – es wird eventuell den einen oder anderen Spoiler beinhalten, der sich nicht vermeiden lässt. Ihr seid also gewarnt.
Den weiblichen Soldatinnen, denen sich Meriande anschließt, wird in jeder Hinsicht der freie Wille genommen. Durch ihre Verpflichtung kann mit ihnen getan werden, was das Regiment will, und so gelangen Meriande und ihre Mitstreiterinnen in das Lager der Bestiensoldaten, wo sie den Alphas ausgeliefert sind. Um deren Kämpfe zu beruhigen, sollen die Mädchen ihnen zur Verfügung stehen. Kein einziges von ihnen stimmt dem aktiv zu. Alle zeigen Anzeichen von Angst, manche weinen. Das ist in der Situation egal. Und damit beginnt ein Ablauf der Vergewaltigung, der gewissermaßen im Buch totgeschwiegen wird. Meriande ist die Einzige, die sich dagegen wehrt. Und als sie einem anderen Krieger zugeteilt wird, dann auch nicht, weil sie es frei entschieden hat, sondern weil er sie sich erkämpft hat. Sie ist seine Beute. Auch wenn Meriande dem Sex mit ihm zustimmt, stimmt sie nicht zu, dabei beobachtet zu werden. Diesen Wunsch übergeht er. Das sind die Sitten der Unaschkin. Wird das danach weiterhin kritisch behandelt? Nein. Meriandes Wille wird untergraben.
An einer weiteren Stelle kommt es durch gewisse Umstände dazu, dass Meriande von dem Unaschkin, in den sie sich verliebt hat, gewürgt wird. Er will sie töten, kann es dann aber schließlich doch nicht, weil er sie so sehr liebt. Meriande will ihn ans Messer liefern, kann es dann aber doch nicht, weil sie ihn so sehr liebt. Dieser Mordversuch gegen sie bleibt unkommentiert. Und sie gibt sich ihm wieder hin. Das hat in meinen Augen nichts mit einer gesunden Beziehung zu tun, ebenso wenig, dass er sie gewissermaßen in einen Rausch versetzen kann, der dem einiger Partydrogen nicht unähnlich ist. Ich muss hier deutlich sagen: Das geht so nicht. So etwas kann man schreiben, ja. Aber bitte nicht ohne eine kritische Auseinandersetzung mit diesem Thema. Hierfür hätte es deutlichere Hinweise gebraucht, dass das so nicht okay ist. Denn so kam es mir vor: Als wäre das als normal abgehakt und einfach in dieser Welt vollkommen in Ordnung, weil es eben so gemacht wird und der Love-Interest ja so toll aussieht, Meriande ihn so sehr liebt usw. Wenn mir das in der Realität jemand erzählen würde, würde ich denjenigen zum nächsten Polizeirevier schleifen. Aber hey – hier tun die Soldatinnen ihren Dienst am Vaterland. Also ist das ja alles okay, oder?
Ebenso wenig kritisch wurde das Thema der Sklavenhaltung angegangen. Ich bin mir im Klaren darüber, dass das in vielen Büchern auftritt, aber gerade in einem Buch, das auch an Dschungelvölker angelehnt ist und gewissermaßen Parallelen zum Kolonialismus ziehen lässt, finde ich es nicht in Ordnung, Sklavenhaltung nicht kritisch zu hinterfragen. Sie sind in Meriandes Augen eben Ware – eine gegensätzliche Haltung gibt es in dem ganzen Buch nicht.
Ich spiele ungern den Moralapostel, aber so, wie die Themen hier aufgegriffen wurden, hat dieses Buch bei mir nicht gut abgeschnitten. Das kann auch nicht der Schreibstil oder das Worldbuilding wieder wettmachen. Ich enthalte mich bei diesem Buch einer Sternebewertung vollkommen, denn ich weiß nicht, wie ich das anständig bewerten soll. Aber Fakt ist: Sensitive Readers und ein genauerer Blick vom Lektorat hätten hier noch Wunder bewirken können. Ja, Problemthemen können und sollen aufgegriffen werden. Aber bitte in einer kritischen Auseinandersetzung und nicht romantisiert wie hier. „Mondlicht in deinen Augen“ hat bei mir somit wirklich nicht gut abgeschnitten und ich hoffe sehr, dass in Zukunft besser darauf geachtet wird, vor allem, wenn noch Folgebände erscheinen. Diese werde ich zumindest nicht lesen.

© Drachenmond Verlag, Leverkusen
Autor: Lena Klassen
Titel: Die Legenden der Unaschkin – Mondlicht in deinen Augen
Preis: 12,00€ (TB) | 3,99€ (E-Book)
ISBN: 978-3-95991-471-0
Verlag: Drachenmond Verlag
Das Buch beim Verlag findet ihr hier: (X)
Schreibe einen Kommentar
Du musst angemeldet sein, um einen Kommentar abzugeben.