Hannah ist nur noch ein halber Mensch, seit ihre Zwillingsschwester Izzy ums Leben kam. Wie soll sie nun noch lachen, lieben, leben? Wie soll ohne ihre zweite Hälfte alles weitergehen? Während Hannah in ihrem Kummer von den ungesagten Worten in ihr erstickt wird, sehen ihre Eltern nur noch eine Möglichkeit. In einem Sommercamp lernt Hannah Levi kennen – Levi, der sein eigenes Päckchen zu tragen hat. Levi, der sich ihre Worte herbeisehnt. Levi, der hinter die gebrochene Fassade zu schauen versucht, die Hannahs einziger Schutzschild gegen ihre Gefühle ist …
Jedes Mal, wenn ich zu Ava Reeds Büchern greife, denke ich mir: „Oh ja, das wird jetzt ein lockerflockiges Lesevergnügen!“ Und dann weine ich. Oft. Viel. Mein Taschentuchverbrauch liegt irgendwo im Unendlichen. So geschehen auch bei „Die Stille meiner Worte“, das mich tiefer berührt hat, als ich es jemals erwartet habe.
Natürlich ist bei der Thematik anzunehmen, dass das Buch sehr emotional und berührend ist. Ein Teenager, der seine Zwillingsschwester verloren hat – Hannah geht es furchtbar. Und sie trägt etwas mit sich rum, das sie niemandem sagen kann. Ihre Worte erdrücken sie, aber sie schweigt, weil es keine Möglichkeit für sie gibt, aus ihrem Gefängnis auszubrechen und zu sagen, was ihr auf dem Herzen liegt. Gerade Hannahs Charakter fand ich von Anfang an sehr eindrucksvoll, denn Ava Reed schafft es, dass man von den ersten Seiten an in ihre Gefühlswelt gesogen wird und mitleidet. Während Hannah ihre Worte nicht rauslassen kann, tut das die Autorin für sie, und ich war erstaunt, wie sehr mich Worte treffen konnten.
Im Klappentext wird der Verlauf der Geschichte nicht wirklich angedeutet, aber ich fand die Idee, Hannah aus ihrer gewohnten Umgebung zu nehmen und zwischen andere zu stecken, die ebenso schwere Probleme wie sie haben, sehr interessant. Dass Hannah stumm ist, hat die Konversation im Buch keinesfalls schwieriger gemacht, ich war sogar sehr überrascht darüber, dass es dennoch sehr dialoglastig ist. Zudem habe ich schnell einen Draht zu Hannahs Umfeld finden können und wollte mehr über die Nebencharaktere wissen. Einige von ihnen fand ich etwas überzeichnet und in eine bestimmte Schiene gedrängt, aber ich denke, es waren gute Ansätze dabei, die auch die Geschichte vorangetrieben haben.
Was mir allerdings am besten gefallen hat, war der Aspekt der sehr leisen Liebesgeschichte. Diese wird nicht benutzt, um Hannah zu heilen, denn das ist in ihrer Lage nicht durch eine Romanze möglich. Trotzdem ist Levi ein wichtiger Punkt in Hannahs Entwicklung und auch seine Geschichte hat mich tief berührt. Levis Kapitel haben gezeigt, dass er auch einiges mit sich rumschleppt, aber gleichzeitig ein Charakter ist, der mal nicht in das typische „Bad Boy mit weichem Kern“-Schema fällt, das in solchen Geschichten aus meiner Sicht zu oft vorkommt. Stattdessen ist er durchaus verantwortungsbewusst und auch sehr hilfsbereit, fast schon aufopferungsvoll.
Das Ende ging mir einen Ticken zu schnell, trotzdem hat es für viele Emotionen gesorgt und ich fand die Auflösung sehr interessant. Zudem war ich positiv überrascht, wie gut mit Hannahs Krankheit umgegangen wurde. Insgesamt denke ich, dass Ava Reed hier wieder einmal bewiesen hat, dass sie mit ihren Worten die Leser erreichen und sie mit den Charakteren verbinden kann. Man fühlt ihre Geschichten mehr, als dass man sie liest, was mich auch hier wieder stark berührt hat. „Die Stille meiner Worte“ ist weder locker, noch fluffig, aber trotzdem mit so viel Gefühl und Leben beschrieben, dass ich gern noch mehr davon gelesen hätte.

© Ueberreuter, Berlin
Autor: Ava Reed
Titel: Die Stille meiner Worte
Preis: 14,99€ (E-Book) | 16,95€ (HC)
ISBN: 978-3-7641-7079-0
Verlag: Ueberreuter
Das Buch beim Verlag findet ihr hier: (X)
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