Thorns Leben wird auf den Kopf gestellt, als die Shades, die vier seltsamen Jungs der Schule, ihr eine Wahrheit über sich selbst offenbaren. Der Schmerz an ihrem Rücken stammt von ihren hervorbrechenden Schwingen – denn Thorn gehört zum Volk der Silberschwingen. Doch als Halbwesen ist sie nicht vor Verfolgung sicher. Als Riley, einer der Rebellen, mit ihr in Schwierigkeiten gerät, ändert sich alles. Denn sie fallen Lucien Yorks Aufmerksamkeit zum Opfer – und Thorn kann ihm nicht mehr entkommen …
Ich sollte abbrechen. Das war schon nach den ersten Kapiteln von „Silberschwingen – Erbin des Lichts“ mein Gedankengang, als sich meine Markierungen von problematischen Stellen häuften und ich auch sehr schwer in die Geschichte reinfand. Dennoch habe ich durchgehalten und das Buch fertig gelesen, schließlich hat es in Deutschland auch einen kleinen Hype erlebt und schnitt in meiner Buchbloggerblase ziemlich gut ab. Irgendetwas musste doch dran sein, dass es alle so prima fanden. Aber ich habe leider selbst am Ende nichts davon gesehen.
Starten wir bei der Geschichte, die mich nicht abholen konnte. Ich möchte dazusagen: Laut Verlag ist das Buch für Leser ab 13 Jahren geeignet. Dies werde ich in meinen Argumentationen auch berücksichtigen und an einigen Stellen noch mal expliziter aufgreifen.
Der Einstieg war denkbar einfach und fokussierte sich auf Thorns Leben an ihrer Schule. Selbst kleinere Banalitäten wurden sehr ausführlich durchgekaut, trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, Thorn richtig kennenzulernen. Sie ist keine Partymaus und anfangs auch eher zurückgezogen mit wenigen Freunden, später mutiert sie irgendwie doch zu jemand sehr Beliebtem? Ich empfand das Ganze drumherum etwas ausgelutscht, aber ich nehme an, für 13-jährige, die noch nicht so viel auf dem Gebiet gelesen haben, passt er ganz gut, weshalb mich das auch noch nicht so sehr gestört hätte. Was mich aber gestört hat, war die wenige Handlung, die das Buch tatsächlich aufweist. Thorn sticht da eher mit ihren naiven und teilweise wirklich dummen Aktionen heraus, wenn sie auf eigene Faust etwas unternehmen will, was einfach grundsätzlich immer schiefgeht. Nachdem sie über die Silberschwingen Bescheid weiß, zieht die Handlung ein wenig an, aber bis dahin war mein Empfinden, dass es furchtbar lahm war. Dass Thorn Rückenschmerzen hat, war das einzig Interessante, ansonsten gab es nichts, was meine Aufmerksamkeit im ersten Fünftel gefesselt hätte.
Und dann kam er: Lucien York. Frisch aus dem Klischee „Bad Boy mit weichem Herz“ gepresst, ist er der Sohn des Clanführers in London und jagt Halbwesen. Und er war mein größtes Problem in diesem Buch.
Recht spät in der Geschichte kommt von Lucien der Satz: „Ich schlage keine Mädchen.“ Dafür erniedrigt er Thorn aber ziemlich häufig, donnert sie gegen Wände, drückt sie über einen Schreibtisch, lässt sie nicht mal los, als sie ihn unter Tränen anfleht und schreit. Ja, bei so was werde ich stinkig. Denn natürlich setzt hier unsere große Liebesgeschichte an. Ich möchte es nicht wirklich Liebesviereck nennen, denn Riley fällt sehr früh aus der Gleichung raus, aber in einer Verkettung unglücklicher (und zum Teil selbstverschuldeter) Umstände, müssen Thorn und Lucien viel Zeit miteinander verbringen. Ich konnte an Lucien nicht einen guten Charakterzug ausmachen, der mir erlaubt hätte, diese Beziehung als etwas Schönes anzusehen. Auch Thorn nennt ihn regelmäßig Monster, verurteilt ihn für seine Handlungen und für sein Verhalten, verfällt dann aber doch wieder seinen tollen Brustmuskeln. Luciens Aussehen schien für mich das Einzige zu sein, das Thorn ansprechend findet, denn ansonsten ist seine Persönlichkeit zurückgeblieben und nichts, was eine 16-Jährige feiern sollte.
Auch Luciens „Beschützerinstinkt“ Thorn gegenüber empfand ich nicht als okay. Manche seiner Aktionen grenzen für mich an ziemlich hartes Stalking. Er bestimmt über ihr Leben, und sein Beschützerinstinkt schien eher darauf abzuzielen, sein „Eigentum“ zu sichern, als tatsächlich Thorn zu helfen. Ja, an manchen Stellen hatte ich das Gefühl, dass da etwas mehr sein könnte. Aber das wurde dann sofort von seiner frauenverachtenden und manipulativen Weise verdrängt, mit der er Thorn gegenübertritt. Ich sehe nichts, absolut gar nichts in dieser Beziehung als gesund oder erstrebenswert an, und ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass ich das Buch keiner 13-Jährigen in die Hand drücken würde, damit sie Luciens Art für normal hält. Nicht mal Thorn tut das. Das war die Reflexion, die ich im Buch halbwegs gelungen fand, aber sie wurde von dem Umstand wieder aufgehoben, dass Thorn scheinbar alles Böse vergisst, wenn Lucien sein Shirt auszieht.
Das gesamte Frauenbild in diesem Buch fand ich wirklich, wirklich schwierig. Thorn ist der einzige Charakter, der das auch aktiv benennt, allerdings stehen ihre Handlungen dann wieder in einem anderen Licht da. Für eine 15-jährige finde ich das teilweise in Ordnung, denn sie ist in einer sehr schwachen Position gefangen und macht viel durch. Dass sie da nicht gegen alte Männer ankämpfen kann, die ihr diktieren, wen sie durch einen Bund zu nehmen hat, dass sie ihm quasi untergestellt ist, und dass Frauen ohnehin das schwache Geschlecht sind, passt dazu. Trotzdem waren allein diese Ansichten, die so eng in die Geschichte hineingeflochten wurden, dass sie teilweise zum Weltenbau gehörten – weibliche Silberschwingen sollen seltener als männlich sein, weil Silberschwingen auf Stärke getrimmt sind und das schwache Geschlecht das nicht aushält – unausstehlich und für mich ein klares No Go. So etwas möchte ich in der heutigen Zeit nicht lesen, auch nicht in einem Fantasyroman. Und ich möchte es nicht von 90% der Charaktere unterstützt sehen. Selbst die Teile der Rebellen, deren Gründe wir kennen, lehnen sich auf, weil sie keine Frau abkriegen, nicht, weil ihnen das gesamte Konstrukt dieser Unterdrückung missfällt.
Dass gerade Charaktere mit viel Potenzial, sich gegen diese Regeln aufzulehnen, zu trainierten Püppchen und dem klassischen Klischee der „High School Zicke“ ausgenutzt wurden, merkte man vor allem an Nyx. Nyx war seit Geburt an Lucien versprochen und sah ihren Platz sicher – bis Thorn kam. Sie hätte gerade große Motive gehabt, sich gegen die Reglementierungen und Befehle aufzulehnen, stattdessen gibt es Catfights und bitchiges Gehabe Thorn gegenüber, die am wenigsten dafür kann und mit Nyx am meisten drunter leidet.
„Silberschwingen“ konnte mich zudem, wie bereits angedeutet, auch durch den Schreibstil nicht mitreißen. Das wurde mir gerade bei Dialogen besonders klar. So spricht niemand, erst recht keine Jugendlichen, und der Kitsch, der gegen Ende hin immer stärker im Buch waltete, war wirklich nicht leicht zu verdauen.
Alles in allem war „Silberschwingen – Erbin des Lichts“ für mich kein Buch, das mich überzeugen konnte. Ich habe wirklich versucht, positive Aspekte zu finden, aber nicht mal das Konzept der Silberschwingen kam mir irgendwie neu oder besonders cool dargestellt vor. Es waren Engel ohne biblischen Bezug, auch wenn das im Buch immer wieder abgestritten wird – die Kräfte sind nun mal fast gleich. Andere haben viel Gutes in dem Buch gesehen, das ich zwar nicht nachvollziehen kann, aber respektiere. Für mich war es nichts.

© Thienemann, Stuttgart
Autor: Emily Bold
Titel: Silberschwingen – Erbin des Lichts
Preis: 12,99€ (E-Book) | 16,00€ (HC)
ISBN: 978-3-522-50577-2
Verlag: Planet!
Das Buch beim Verlag findet ihr hier: (X)
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