Auf der grauen See, nahe der Küste vor Daaria, sind laute Rufe deutlich hörbar. Ein Sturm zieht auf, drängt die Besatzung der “Meeresgold” zur Eile, denn in der Ferne grollt bereits der erste Donner. Während die Kapitänin Zena Befehle verteilt und ihrer Mannschaft zur Hand geht, steht eine Seelie mit flammend roten Haaren allein an der Reling und lächelt, als der Wind sie umspielt. Bis …
“He, Awa! Du könntest auch mal mit anpacken, oder bist du da festgewachsen?”
Die Seelie seufzt leise und dreht zu Zena um. Was aus ihrem Tonfall bereits herauszuhören war, ist am Ausdruck in ihrem Gesicht ebenfalls deutlich zu erkennen. Bei der Ungeduld in ihrem Blick schleicht ein Lächeln auf Awas Lippen. Als wüsste Zena nicht genau, dass sie die größte Hilfe ist, wenn der Sturm sie fast erreicht hat. Wenn sie den Wind deutlich spüren kann und die Verheißung der Magie, die in ihr lebt. Dennoch wendet sie sich der Mannschaft zu und packt mit an, um die gröbsten Schäden bereits zu verhindern. Zenas Musterung entgeht sie allerdings nicht.
“Was hast du? So lächelst du nur, wenn der Sturm gewaltig wird. Treib mich nicht in den Wahnsinn, Awa, müssen wir mit größeren Schäden rechnen?”
“Nein, keine Sorge.” Die Seelie schüttelt den Kopf und horcht auf das Donnergrollen, das immer näherrückt. Ein Blitz spaltet den Himmel, der in Dunkelheit gehüllt ist. “Wir schaffen es unbeschadet hindurch. Ich musste nur an unseren ersten Sturm denken. Und daran, dass wir bald da sind.” Ihr Blick wandert zurück zu den Lichtern in der Ferne – zu den nächsten Ausläufern von Daaria, ihrer alten Heimat. Vor nicht allzu langer Zeit wollte sie nur zurück in die Vulkanstadt. Wie sich alles verändert hat seit Kheerans misslungener Krönung …
Am Tag von Prinz Kheerans Krönung
“Ihr wollt mich doch verarschen.” Die Flüche, die aus Zenas Mund drangen, konnten selbst gestandene Männer erröten lassen, während sie auf die Beute ihrer Crew hinabschaut. Gut, sie wusste, dass nicht alle, die sie losgeschickt hatte, besonders helle waren. Aber mit diesem Ausgang der Ereignisse hatte sie nicht gerechnet. “Ihr habt mir eine Seelie gebracht. Eine verfluchte Seelie! Die haben keine Wasserkräfte, was sollen wir mit der anfangen?”
Das Spitzohr vor ihr blitzte Zena aus dunklen Augen derart wütend an, als würde sie ihr den Kopf abreißen, wenn sie auf ihre Kräfte zugreifen könnte. Immerhin war die Crew schlau genug gewesen, sie mit magischen Fesseln herzubringen. Sonst hätte ihr geliebtes Schiff, die Meeresgold, wohl längst in Flammen gestanden. Dennoch – was sollte sie nun mit der Seelie anfangen? Sie hatte nicht erwartet, dass sie diesen Idioten, die so stolz mit dem Spitzohr angerückt waren, vorher hätte erklären müssen, dass Unseelie blonde Haare und eine deutlich androgynere Figur hatten.
Sie hatte die Männer losgeschickt, um eine Unseelie mit Wasserkräften zu kidnappen. Sie hätten das magische Wesen auf die eine oder andere Art gefügig gemacht, bis es ihnen bei Überfahrten helfen und sie damit zu den gefürchtetsten Piraten weit und breit machen konnte. Jetzt würde sie höchstens die Lachnummer der Meere sein. Dabei war der Plan narrensicher gewesen – Kheerans Krönung in Nihalos hatte genug Unseelie auf den Plan gerufen. Niemand hätte etwas gemerkt. Und nun regte sich ein Verdacht in ihr, der noch schlimmer war als dieses Chaos …
“Was hat eine Seelie in Nihalos verloren?” Bevor ihre Männer antworten konnten, zog sie den Knebel aus dem Mund des Spitzohrs, das ihr prompt gegen das Schienbein zu treten versuchte. Lächerlich. Sie blickte auf die rothaarige Schönheit hinab, die sie wütend anfunkelte, und wiederholte die Frage. “Was hattest du in Nihalos verloren?”
“Königin Valeska wird euch in Stücke reißen! Wie könnt ihr es wa…” Die Seelie hätte sicherlich noch weitergezetert, hätte Zena ihr nicht wieder den Mund mit dem Knebel gestopft. So entfuhr ihr nur ein erstickter Schrei, während es im Kopf der Piratin ratterte.
Das konnte einfach nicht wahr sein. Was, bei den Göttern, hatte sie verbrochen, um damit gestraft zu werden? “Ihr Idioten”, zischte sie die verantwortliche Crew an, die dem Anblick der kleinlauten Mienen nach lieber wieder zurück unter den Unseelie in Nihalos wären als hier auf dem Schiff. “Ihr habt eine von Valeskas Anhängern gekidnappt? Seid ihr noch ganz bei Trost?”
Drei Tage später
Awa beobachtete die Crew, die geschäftig auf dem Schiff herumlief. Nein, eigentlich beobachtete sie nur eine dieser Piraten – deren Anführerin.
Sie wusste inzwischen, dass dieser Mensch Zena hieß, hier Käpt’n war und dafür verantwortlich, dass sie auf hoher See feststeckte. Ihre Magie konnte sie dank der magischen Fesseln nicht nutzen, obwohl sie sie gern genutzt hätte, um Zenas langes, dunkles Haar um deren Hals zu wickeln und sie damit zu würgen. Stattdessen konnte sie nur dasitzen und zuhören, welche Befehle gegeben wurden. Und mit jeder weiteren Stunde wuchs ihre Wut.
Nicht genug, dass sie die Krönung des Unseelie-Prinzen verpasst hatte und wahrscheinlich Valeskas Zorn abbekommen würde, wenn ihre Königin jemanden schickte, um sie hier herunterzuholen. Nein, sie musste sich auch noch mit nervigen Piraten, noch nervigeren Spitznamen und dieser verdammten Zena herumschlagen, die sie immer wieder auszufragen versuchte. Wie funktioniert deine Magie? Wie gut könnte ein Unseelie das Meer kontrollieren? Sie gab nie eine Antwort, aber es schien die Piratin auch nicht um ihren Schlaf zu bringen. Ihre grauen Augen waren nur voll von Resignation, ihre Stirn von Falten des Nachdenkens durchzogen.
Mit einem Mal schlugen Awas Sinne Alarm. Da – in der Ferne nahm sie den Umschwung in der Luft wahr, spürte die Spannung. Ein Gewitter zog auf. Sie grinste hinterhältig und nahm sich vor, die Crew nicht vorzuwarnen. Sollte doch ein Blitz in dieser verdammte Schiff einschlagen! Nur … na ja, möglichst nicht, solange sie auch noch hier war.
Der Wind trug jedoch auch weiteres mit sich – Stimmen. Viele davon. Einzelne Wörter oder Sätze konnte sie noch nicht ausmachen, aber die Lage war klar, ein anderes Schiff kreuzte ihren Weg.
Hätte sie mal etwas gesagt. Hätte sie die Crew doch vorgewarnt. Nur kurze Zeit später bemerkten auch die Männer und Frauen an Deck den Umschwung und machten sich gefasst auf den Sturm. Doch durch die zügigen Arbeiten entging ihnen zu lang, dass das Schiff, das auf sie zuhielt, ihnen nicht wohlgesonnen war. Immer mehr Flüche erklangen um sie herum, während Waffen vorbereitet wurden und das Schiff blitzschnell gerüstet für ein Gefecht. Mit einem entschlossenen Ausdruck in den tiefgrünen Augen eilte Zena auf sie zu. Awa staunte nicht schlecht, als die Piratin ihre Fesseln löste und ihr eine Hand hinstreckte, um ihr aufzuhelfen.
“Was auch immer du für Kräfte hast, jetzt können wir sie gebrauchen. Hilf uns, diese Säcke zu bekämpfen, dann bringen wir dich sofort zurück nach Daaria.”
“Warum sollte ich euch vertrauen?”
“Weil es dein einziger Weg ist.”
Am Tag der Ankunft
Zena sah hinüber zu Awa, die neben ihr an der Reling innegehalten hatte, während das Schiff für den Landgang vorbereitet wurde. Ihre Haare waren noch durchnässt vom Sturm, doch in ihren Augen brannte ein Funkeln wie nach dem Gefecht vor einigen Wochen. Sie konnte sich kaum vorstellen, dass es schon so lang her war – es kam ihr vor, als hätte sie erst gestern die Seelie vor sich sitzen gehabt, gefesselt und geknebelt, bereit, sie fertig zu machen, sobald sie ihrer Magie freien Lauf ließ.
Doch das hatte sie nicht getan. Stattdessen hatte sie an Zenas Seite gekämpft, hatte den Wind manipuliert und sie so vor dem schlimmsten Schaden bewahrt. Sie waren in dem Kampf gegen Elroys Mannschaft auf der “Helenia” gnadenlos unterlegen gewesen, doch dank Awas Luftmagie hatten sie immerhin entkommen können, bevor die “Meeresgold” zu starken Schaden nahm. Seitdem hatte die Seelie abends mit ihr und ihrer Mannschaft zusammengesessen und Karten gespielt, auf dem Schiff mitgeholfen und sie alarmiert, soabld sie Gefahr liefen, in einen Sturm zu geraten.
Und ganz langsam, Tag für Tag, war sie Zena ans Herz gewachsen.
Kaum merklich schüttelte sie den Kopf. Awa gehörte zurück in ihre Heimat, nach Daaria. Das kleine Abenteuer schien auch ihr Spaß gemacht zu haben, aber die Zeit des Abschieds war gekommen. Sie sah hinab auf ihre gebräunten Hände, die eine Karte und einen Kompass umklammerten. Es waren keine so schönen Stücke, wie Mortimer und besondere Schmiede sie fertigten, aber als Andenken würde es reichen. Langsam hob sie den Kopf, straffte die Schultern, spannte die Muskeln an, die von den vielen Jahren auf See gestärkt waren, und …
“Ich bleibe bei euch”, verkündete die Seelie, als wäre es die natürlichste Sache der Welt. “Ich hole nur ein paar Sachen, dann komme ich zurück. Mich hält nichts mehr in Daaria.”
Zena traute ihren Ohren nicht. War das gerade wirklich geschehen? Hatte sie sich die Worte nur eingebildet? Fassungslos starrte sie Awa an, den Schwung ihrer grazilen Nase, die Hände, die sie entschlossen in die kurvige Hüfte gestemmt hatte, und nickte schließlich nur. Na schön. Sie war zwar nicht die Unseelie mit der Wassergabe, die Zena sich erträumt hatte, aber als neues Crewmitglied und treue Freundin taugte auch dieses Spitzohr etwas. Und wenn sie ehrlich war, tat es gut, dieses Mal keinen Abschied nehmen zu müssen.

© Piper, München
Das war sie auch schon – unsere Geschichte! Denn wenn Cara und ich Charaktere in der Welt von Laura Kneidls “Die Krone der Dunkelheit” wären, wären die mutige Piratin Zena und ihr Sidekick, die luftbegabte Seelie Awa, unsere Gegenstücke. Ich hoffe, ihr hattet Spaß bei dem kleinen Ausflug in unsere Gedankenwelt, denn nun möchten wir euch Lauras ans Herz legen! Ich hatte das Vergnügen, “Magieflimmern”, den zweiten Band von “Die Krone der Dunkelheit”, als Testleserin begleiten zu dürfen, und kann euch nur sagen: Holy shit, ihr braucht es! Die Intrigen, die Plot Twists, die großartigen Charaktere und die ganze Welt machen “Magieflimmern” zu einem gelungenen zweiten Teil. Ab Montag, den 02. September, könnt ihr dieses Schmuckstück erwerben!
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Freya kennt die Wahrheit. Sie hat herausgefunden, was mit ihrem Bruder im Land der Fae geschehen ist, und nun bleibt für sie nur noch eines zu tun: Sie muss nach Thobria zurückkehren und sich ihrem Schicksal als zukünftige Königin stellen. Doch der Hof ist ein goldener Käfig voller Regeln und Verbote, dabei will Freya nichts sehnlicher als Magie wirken und Larkin finden, der als gesuchter Verbrecher noch immer auf der Flucht vor dem König ist. Zeitgleich ziehen die geplatzte Krönung und das gescheiterte Attentat auf den jungen Fae-Prinzen Kheeran immer gravierendere Folgen nach sich. Unruhen brechen unter den Unseelie aus und womöglich findet diese Bedrohung schon bald einen Weg in das Reich der Menschen.
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